28.04.2009
Badminton

"You are age group champion - you just have to finish!"

Von 602 Teilnehmern aus 49 Nationen, bei 45° C und 95% Luftfeuchte, lief Sibylle Gottschalk als beste Deutsche in 11:28,18 h ins Ziel ein und sichert Eintracht Frankfurt den ersten Startplatz für Hawaii.

Von 602 Teilnehmern aus 49 Nationen, bei 45° C und 95% Luftfeuchte, lief Sibylle Gottschalk als beste Deutsche in 11:28,18 h ins Ziel ein und sichert so Eintracht Frankfurt den ersten Startplatz für Hawaii. Außerdem erreichte sie mit ihrem durchschnittlichem Puls von 144 Schlägen/Minute und ihrer durchschnittlichen Körpertemperatur von 39° C Platz 1 bei den Frauen-Altersklasse 40, Platz 11 in der Frauen-Gesamtwertung und Platz 1 in der Frauen-Schwimmen-Teilstrecke. Hier schreibt Sibylle Gottschalk ergreifend über die Atmosphäre in Haikou und über ihre Strapazen mit dem chinesischen Klima.

Letzten Sonntag war wieder mal so ein Tag, an dem ich mich selbst überraschen sollte. Wir – mein Mann und ich - sind nach mühseliger Anreise über Hong Kong seit 1,5 Tagen in Süd China, auf der Insel Hainan am Start der 2.Auflage des IronMan China 2009 in Haikou. Seit unserer Ankunft war es nur mäßig warm und es hat eigentlich nur geregnet. Der Veranstalter hat die einzelnen race splits aufgrund von Beschwerden der Teilnehmer im Vorjahr verändert. So findet die Schwimmstrecke nicht mehr im Meer sondern in einem Fluss statt, der bike-Kurs führt durch eine verkehrsberuhigtere Gegend und der run soll flacher und damit schneller sein.

Mir eigentlich egal, denn ich habe mir die Strecken nicht mehr ansehen können. Wie immer sehr kurz vor dem Rennen angereist haben diverse Mini-Probleme (abgebrochener Tacho, keine O2-Kartouche auf der Insel zu kriegen, etc.) dazu geführt, dass René und ich gerade so alle Rennvorbereitungen abschließen konnten und nun geduldig an dem reißenden Ufer des Flusses stehen. Der starke Regen der letzten Tage hat dazu geführt, dass sich die Strömung des Flusses zum einen sehr verstärkt und zum anderen ca. in der Mitte der Strecke in der Richtung gedreht hat. Der Veranstalter teilt uns dies noch kurz mit und schon geht es los: Start zum IronMan China 2009 und ich bin dabei!

Um es etwas kürzer zu machen: jeder weiß, ich schwimme gut und bin die Ruhe in Person, wenn es ins Wasser geht, denn ich genieße den swim split wie ein Fisch. Doch ein reißender, schlammig-matschig brauner und warmer Fluss in China ist wirklich kein Spaß. So will ich nach der üblichen Start-Pfiff-Prügelei nur noch eins – schnellstens wieder raus. Das kriege ich auch irgendwie hin, beschwere mich bei René beim Rausrennen noch ausgiebig über die super schweren Bedingungen, nehme so nebenbei den fastest female swim split mit (kein Wunder bei 48:56min!) und gehe die 2.Etappe an. Erst viel später erfahre ich, dass aufgrund der erschwerten Schwimmbedingungen viele Teilnehmer massive Probleme hatten bzw. schon hier das Rennen vorzeitig beenden mussten.

Der bike split beim IronMan China führt zunächst Mitten durch die Stadt Haikou, dann raus auf den highway, nach ca. 25k lonely highway ride durch 2 schöne, chinesische Dörfer, zurück auf den highway und wieder durch die Innenstadt zur transion und auf die 2. Runde. Auch diese Etappe ist recht schnell erzählt. 1. Ich bin durchgehend Mutterseelenallein unterwegs (die drafting rule hätte man sich sparen können!), erst bei 30k sausen die ersten Jungs an mir vorbei, Mädels sehe ich so gut wie gar nicht. 2. Die Strecke ist sehr abwechslungsreich und ich habe neben trinken, essen + treten, viel zu schauen. Es gibt dazu jede Menge chinesische Riesenlibellen, die teilweise gegen die Speichen knallen, chinesische Ochsen, die mir beim Radeln zu sehen und einige Schlagen, die entweder ein Sonnenbad auf der warmen Strasse nehmen oder bereits platt gefahren sind. 3. Irgendwie hat jemand einen Backofen eingeschaltet – es ist HEISS! Selbst auf dem bike spüre ich ab Mittag die Hitze, bin abartig am Saufen und probiere kaltes Wasser in meinen Tropfenhelm zu schütten (so brutzelt mir der Schädel).

Ohne weitere Vorkommnisse, gut gelaunt und gut im Plan beende ich auch diese Etappe mit meiner Inselrundfahrt und begebe mich auf den run.

Und weiter geht's! Wie versprochen ist der run split flach. Doch was ist das? Leider auch menschenleer, brutal heiss und meine Beine wollen erstmal gar nicht so wie ich will. Ich überrede mich mehr oder minder loszulaufen und hoffe auf baldige Besserung. Sehe noch eine aid station, rufe beherzt 'Coke!', bekomme auch tatsächlich einen halbvollen Becher gereicht, greife mir aber stattdessen lieber die halbvolle 1,5ltr. PET-Flasche, saufe (sorry, für den Ausdruck - war aber wirklich so!) die in einem Zug so gut wie leer, nehme den Rest einfach mit auf die Strecke, schütte mir noch 2 Becher Eiswasser über Kopf+Arme und bin unterwegs.

Sehr schnell findet mich auch mein Mann René, der im Schatten einer Brücke mit einigen anderen deutschen Damen auf ihre teilnehmenden Partner wartet. Die Stimmung ist gut, alle jubeln, rufen mir zu, René begleitet mich ein Stück und informiert mich über den Rennverlauf und den aktuellen Stand. Ich erfahre, dass ich 3. aller age grouperinnen bin und in den TOP 10 Damen gesamt. Von meiner AK weit und breit keine der 8 Verfolgerinnen zu sehen. Ich freue mich und stapfe munter weiter.

10k geht gut, die Strecke wird interessanter und führt mich Richtung City von Haikou. Der Verkehr nimmt zu. Die Abgase, der Gestank und der Lärm einer tosenden City auch. Ich traue meinen Augen nicht, wo die uns hier lang laufen lassen. Mehr oder minder laufe ich direkt über den sonntäglichen, chinesischen wet market der old town Haikou. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Zuschauer bestaunen mich in meinem verrückten outfit. Vielleicht denken sie auch 'die ist total übergeschnappt', aber viel Ahnung von unserem race haben die hier nicht - egal! Ich erblicke 20k und alles klappt prima. Bin happy, merke aber wie ich immer mehr mit der Hitze kämpfe und werde zusehend schlapper. Bei 24k bekomme ich nochmals meine run split special needs bag und beinahe verhungert pfeife ich mir ein total weg geschmolzenes power bar rein und ein kochendes Squeezy mit warmer Cola hinter her. Super eklig!  Mich würgt es auch. Aber es geht weiter.

Inzwischen bin ich bei einer race Zeit von 9:17h und ich war noch nicht ein Mal auf dem Topf. Ich suche nach einem Dixie - finde keines - und entscheide mich fürs einfach im Laufen laufen lassen. Ich suche Eis zur Kühlung und stopfe es mir überall in meinen Anzug, Eiswasser über den Kopf, die Arme und an die Waden. So kriegt man alles wieder sauber gespült und es geht schön gekühlt für die nächsten Minuten weiter.

Nur in den Verpflegungszonen erlaube ich mir zu gehen, denn inzwischen sind auch meine Verfolgerinnen auf der Strecke, wenn auch in einem kommoden Abstand. Dann will ich auch auf der Strecke gehen, aber ich will mehr siegen und sage mir ständig: you are age group champion - you just have to finish!

Ab 30k ist das leichter gesagt, als getan. In Gedanken laufe ich ab jetzt meine Lieblingsstrecke im milden Frühlingstaunus - zusätzlich spule ich das ganze, mentale Programm ab (you are age group champion - you just have to finish! you are age group champion - you just have to finish!...), aber es nützt alles wirklich Nichts mehr. Von 30-35k muss ich immer wieder Gehpausen machen, um grössere Ausfälle in der Hitze zu vermeiden.

Bei 35k ist René an meiner Seite und trotz heavy back-pack auf seinem Rücken entscheidet er sich mich ins Ziel zu begleiten. So traben wir gemeinsam einen k nach dem anderen. Ich habe nur noch einen Gedanken 'finish strong' und kann sogar nochmals zulegen. Wir nähern uns - diesmal gemeinsam - Haikou City. 36, 37, 38, 39k - und immer wieder sage ich mir 'you are age group champion - you just have to finish!' Und 'finish strong' - und diesmal klappt es! Ich kann tatsächlich noch mit Puls 155 die letzten 7k durchlaufen und freue mich. Ein neuer Gedanke macht sich in mir breit: running to IronMan victory – das 1. Mal in sieben langen IronMan Jahren! 40k, die Zuschauer nehmen zu, die Gefühle überwältigen mich und mir steigen die Tränen in die Augen und kullern die Backen runter. Zum 2.Mal durch die vor Menschen wimmelnde, brütend heisse und tosende Haikou Altstadt. René fragt wie weit es noch ist, doch ich kann nicht mehr antworten, bin am Schluchzen und weiss - jetzt nur noch hier durch die Altstadt, um die Ecke, durch die Strasse, am Ende über die steile Brücke in den Park und dann sehe ich sie auch schon: die finish line!
Und da höre ich ihn auch schon - the voice of IronMan Kona (der gleiche Sprecher, wie bei der WM in Kona!), der meinen Zieleinlauf den vielen, jubelnden Zuschauern gebührend ankündigt. Ich erklimme diese super-steile Brücke, komme auf der anderen Seite auch irgendwie wieder runter und bin schon im Zielkanal. Natürlich zu diesem Zeitpunkt, dem schönsten der Welt. Ich winke den Zuschauern zu, drehe mich noch mehrmals um und meine Tränen kullern. Denn nicht nur ich und the voice of IronMan Kona wissen es, nun wissen es alle: 'here comes the age group champion all the way from Germany!'.