30.10.2019

Sieg der Vernunft - ein 'Nicht'-Rennbericht

Die Schuhe bleiben im Schrank. Ich werde beim Start des Frankfurt Marathon in diesem Jahr trotzdem dabei sein – als Zuschauer und moralische Stütze am Straßenrand.

Die Schuhe bleiben im Schrank. Ich werde beim Start des Frankfurt Marathon in diesem Jahr trotzdem dabei sein – als Zuschauer und moralische Stütze am Straßenrand. Auf dem Weg zu meinem achten Marathon hatte ich seit Ende Juni mit vielen Dingen gerechnet, nur nicht mit einer Erkältung.

Ich bin ein Wiederholungstäter und habe mich auch in diesem Jahr wieder für das Marathon-Projekt von Eintracht Frankfurt Triathlon angemeldet. Einfach trainieren war noch nie etwas für mich, weil ich Strukturen und Vorgaben brauche, die mich immer wieder in die Laufschuhe „zwingen“.

Das Marathon-Projekt bietet dafür gute Bedingungen. Das Sahnehäubchen sind die netten Menschen, die sich bei Wind und Wetter und selbst im Flutlicht jeden Dienstag auf der Tartanbahn einfinden und sich gegenseitig bei den harten Intervallen mitziehen.

Die Vorbereitung lief für mich in diesem Jahr mehr als gut. Kaum eine Einheit verpasst, gesund durchgekommen und auf den langen Läufen nahezu magische Erlebnisse genossen. Für mich waren die Wechsel zwischen lagen Trainingseinheiten und knackigen Belastungen gut abgestimmt.

Gute Frühform

Anfang Oktober stand dann der Halbmarathon in Aschaffenburg als Formtest an. Im letzten Jahr hatte ich ihn wegen einer Erkältung verpasst, was meine Anspannung in diesem Jahr nur noch weiter gesteigert hatte. Alte Halbmarathon-Bestzeit um sechs Minuten verbessert! Ergebnis auf STRAVA.

Es lief also über Monate wie am Schnürchen für mich. Ich habe gerechnet, geplant, Wettkampfkleidung getestet und meine Ernährung ausgetüftelt. Alles was noch gefehlt hat, war der groß Tag X. Ich hätte ihn am liebsten schon in der vergangenen Woche erlebt.

Wer sich lange auf einen Wettkampf vorbereitet, der kennt die Paranoia, die man kurz davor entwickelt. Jedes Husten, jeder Nieser und jede laufende Nase werden zum Staatsfeind Nummer 1 und man fragt sich permanent, wie man dem ausweichen kann. Desinfektionsmittel werden zu ständigen Begleitern.

Das Drama

Geholfen hat das allerdings wenig. Während ich die Zipperlein am Mittwoch tagsüber noch auf die trockene Büroluft schieben wollte, war gegen Abend schon klar, was sich anbahnt.

Der Besuch beim Arzt am nächsten Morgen brachte entsprechend wenig Erfreuliches. „Müssen Sie das machen? Ich rate Ihnen dringend davon ab.“ Rumms. Das hat gesessen. Geahnt hatte ich es zwar schon, aber wahrhaben wollte ich es trotzdem nicht.

Es folgte eine Kombination aus heißen Bädern, Ingwer-Exzessen, natürlichen Mitteln und die volle Breitseite der Pharmaindustrie – gekoppelt an das Versprechen, dass ich nicht starte, wenn ich nicht am Samstagmorgen gesund aufwache.

Gedankenspiele


„Kannst Du nicht trotzdem laufen? Ist doch nur ein Schnupfen“, fragte mich ein Nachbar. Insgeheim haben wir uns das sicher alle schon gedacht. Aber die Entscheidung für einen Start bringt zwei gravierende Risiken mit sich. Es könnte ein richtig blödes Erlebnis werden, weil sich 42 Kilometer wirklich ziehen, wenn man nicht gesund ist. Man könnte allerdings auch etwas verschleppen und ernste Folgen riskieren.

Ich musste leider in meinem Läuferleben zwei Mal mit ansehen, wie Menschen auf der Strecke reanimiert wurden. Beim Frankfurter Halbmarathon verstarb 2014 ein Athlet am Mainufer direkt vor der Uniklinik. Was aus dem Läufer in Berlin 2016 bei Kilometer 17 wurde, weiß ich leider nicht.

Beide Erfahrungen sollten einem aber schlagartig in Erinnerung rufen, welche Konsequenzen die Teilnahme an einem Wettkampf unter solchen Vorzeichen hat. Natürlich muss man nicht den Teufel an die Wand malen und davon ausgehen, dass einen das Schlimmste trifft.

Aber…

„Eine verschleppte Erkältung kann Dich umbringen. Ein abgesagter Wettkampf nicht“, kommentierte eine Freundin meine Entscheidung für diesen Sonntag.

Ich möchte noch an vielen Wettkämpfen teilnehmen und bin daher überzeugt, mich richtig entschieden zu haben.

Davon abgesehen nehme ich aus den rund 500 Laufkilometern und 3.100 Trainingsminuten auch einiges mit: ich bin gut in Form für den Hamburg-Marathon, bin als Läufer reicher an Erfahrungen und habe neue Freunde gefunden.

Jetzt wird nach vorne geschaut, der nächste Wettkampf kommt sicher.