21.02.2020

Sebastian Kienle meets Eintracht Frankfurt Triathlon

Sebastian Kienle war für einen Vortrag u.a. zum Thema Co2 freier Sport bei uns zu Besuch!

(Foto ©: Alexander Paul Englert) Sebastian Kienle beweist bei Eintracht Frankfurt Triathlon Entertainer-QualitätenFast schon verlegen reckt Sebastian Kienle die zwei Müslischalen des Eintracht Frankfurt Nikolaus Duathlon in die Höhe, die er gerade von der Abteilungsleitung erhalten hat.Als hätte der zweifache Weltmeister auf der Halbdistanz gerade erst realisiert, dass er vor gut 250 Leuten für zwei Stunden erklärt, erheitert aber auch ermahnt hat.Kienle hat sich Zeit genommen, um den Mitgliedern von Eintracht Frankfurt Triathlon Einblicke in sein Leben als Profitriathlet zu geben und um sie mit Tipps für das Mitteldistanz-Training zu unterstützen.Er räumt dabei mit Mythen auf, die sich hartnäckig in oder auch außerhalb der Szene halten.„Vor zehn oder 15 Jahren wollte jeder immer Weltmeister werden“, sagt der Mann, der als Berufswunsch in einer Schülerzeitung der vierten Klasse bereits Profitriathlet aufgeschrieben hatte.Heute sei die Mitteldistanz schon deutlich beliebter. Sie bleibt mit jeweils der halben Strecke allerdings für viele ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Langdistanz über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Marathon.Kienle hat dennoch sein Herz an den „Schmelztiegel“ der verschiedenen Distanzen verloren. „Es ist noch immer ein Wettkampf und nicht nur reiner Überlebenswille wie auf der Langdistanz.“Die goldene MitteDoch selbst in diesem Feld sei die realistische Zielsetzung ein entscheidender Faktor – unabhängig davon, ob eine WM-Qualifikation, eine bestimmte Zeit oder einfach nur Spaß am Sport verfolgt werden.Er beobachte viele, die sich nicht erreichbare Ziele stecken würden und auf halbem Weg scheitern. „Und dann stecken sie den Kopf in den Sand.“ Zu niedrige Ziele böten dagegen keinen Anreiz, um sich anzustrengen, stellte er aber auch klar.Eine Typ-Frage ist für Kienle dagegen, ob ein Trainerteam, autodidaktisches Lernen oder Trainingsapps der richtige Weg sind. „Das müsst ihr selber probieren. Aber ihr habt hier die optimalen Voraussetzungen im Verein, weil ihr auf viele Ressourcen zurückgreifen könnt.“Die Macht der GruppeBesonders bei harten Einheiten eigenen sich Trainingsgruppen hervorragend als Ansporn, weiß Kienle. Er trainiert gemeinsam mit namhaften Athleten wie Laura Philipp und Franz Löschke.Ein Blick in die Runde verschafft ihm Gewissheit: „Mitstreiter habt ihr hier ja genug“.Auch die Familie könne mit eingebunden werden. Seine Frau kümmert sich beispielsweise um die Packlisten vor Wettkämpfen, plant und organisiert. Er selbst habe früher schon mit zwei linken Schuhen in der Wechselzone gestanden. „Das hat nachgelassen, nachdem ich geheiratet habe“, räumt er lachend ein.Bei aller Gruppendynamik spielen die längeren und einsamen Einheiten eine wichtige Rolle im Training.Auf Dämonen treffen„Jeder sollte sich einmal im Training die Sinnfrage gestellt haben, bevor sie im Rennen kommt“, rät er den interessierten Zuhörern.Dafür sei es auch mal nötig, „etwas Dummes“ im Training zu machen. Mit einem Augenzwinkern nennt er Sportler als Beispiel die im Fitnessstudio das Laufband belegen, bis sie rausgeschmissen werden.„Die haben die inneren Dämonen schon gesehen und wissen, wie man mit denen umgeht. Sie sprechen ihre Sprache.“Besonders der mentalen Erholung misst Kienle eine große Bedeutung zu, nachdem er wenige Tage nach seiner ersten Langdistanz in Roth 2010 mit dem Auto von der Autobahn abfahren und einen Heulkrampf verarbeiten musste.„Man darf das nicht unterschätzen, was so ein Rennen nervlich kosten kann.“Daher sei es wichtig, sich zwischendrin Spaß zu gönnen.Zwischen Spaß und ErnstBesonders viel Spaß hat der Ausnahmeradfahrer, wenn er an seinem Untersatz tüfteln kann. Er weiß um die Materialschlacht, die auch die Altersklasseathleten umtreibt.Während der Hersteller seiner Reifen daran zu zweifeln scheint, ob sich Material für 200 Euro verkaufen lässt, wenn es nur für ein oder zwei Rennen hält, hat Kienle da keine Bedenken.„Triathleten? Denen kannst du auch Höhenluft in Dosen verkaufen.“Die Schattenseiten des Geschäfts sind ihm allerdings auch bewusst. „Das schöne ist, dass ich viel reisen darf. Das schlechte ist, dass ich viel reisen muss.“Sein CO2-Fußabdruck liege mit knapp 30 Tonnen pro Jahr um das Dreifache über dem deutschen Durchschnitt, räumt er nachdenklich ein.Seine Räder, die Neoprenanzüge, die Radschuhe und die Flüge nach Hawaii und ins Trainingslager – alles basiere auf Öl.Kienle nutzt Programme von Umweltgruppen wie Atmosfair, um seinen CO2-Ausstoß zu kompensieren. Man merkt, dass ihm das Thema ernst ist.Auto abgeschafftNatürlich sei es „geil“ gewesen, für zwei Jahre mit einer Luxuskarosse mit 510 PS zu fahren, gibt er zu. Er habe aber umgedacht und sein Haushalt verfüge über kein eigenes Auto mehr.„Wir teilten uns zu viert ein Auto im Stuttgarter Speckgürtel und das funktioniert ziemlich gut.“Müll bringt den Profi völlig auf die Palme. Manche Fahrten rund um sein Trainingslager fühlten sich wie Touren durch Müllkippen an.Er ist froh, dass unerlaubtes Entsorgen von Müll in Wettkämpfen mittlerweile hart bestraft wird. „Das muss in den Köpfen drin sein.“Das Profi-Team von Bahrain Endurance hat Kienle nach wenigen Monaten wieder verlassen – er habe es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können, gab er später in einem Interview zu Protokoll.Sein aktueller Hauptsponsor ist der krasse Gegenentwurf. hep baut weltweit Solarparks und bietet Anlegern die Möglichkeit, in entsprechende Projekte zu investieren.Kienle weiß, dass er die Welt nicht im Alleingang retten kann. „Ich will ein Bewusstsein für das Thema schaffen.“ Sein Credo lautet: „Vermeiden, reduzieren, kompensieren“.Und dann?Nach seinem Leben als Profi will Kienle sich zumindest vegetarisch ernähren, vielleicht auch vegan. Bevor es aber so weit ist, plant er seinen Konkurrenten Jan Frodeno in diesem Jahr in die Schranken zu weisen. „Ich kann euch dann hoffentlich sagen, warum das geklappt hat.“Ein erstes Kräftemessen steht den beiden auf der Langdistanz in Roth im Juli bevor.Für die Zeit danach hat ihm Eintracht Frankfurt Triathlon schon einen festen Termin in den Kalender geschrieben. Neben der Müslischale bekommt Kienle am Ende seines Vortags noch das lebenslange Startrecht für den traditionsreichen Nikolaus Duathlon, den Eintracht Frankfurt Triathlon an jedem ersten Sonntag im Dezember veranstaltet.