25.02.2022

„Nah dran an der Weltspitze“

Eine Kampfrichtertätigkeit im Triathlon ist abwechslungsreich und auch das Motorrad kommt mal zum Einsatz. Michael Bender übt dieses Amt schon seit zehn Jahren aus und berichtet im Interview darüber.

Seit wann bist du Kampfrichter und wie bist du dazu gekommen?
Michael Bender:
Ich habe jetzt genau zehn Jahre auf dem Buckel. Wir müssen dem Landesverband eine bestimmte Anzahl an Kampfrichtern abstellen. Diese richtet sich nach der Anzahl der Startpasslizenzen oder der Anzahl der Mannschaften, die ein Verein beim Verband für den Ligabetrieb meldet. Stellt man zu wenige ab, muss man Strafen zahlen. Wir hatten 2012 Probleme, die geforderte Anzahl zu stellen. Um das Geld lieber in den Trainingsbetrieb zu investieren, gab es einen Aufruf der Abteilung, wer die Kampfrichter-Ausbildung absolvieren möchte. So kam ich dazu und bin auch dabeigeblieben.

Wie sieht die Ausbildung aus und wie wird die Lizenz erworben?
Michael:
Man fängt im Triathlon mit Level 1 an, das sind die Kampfrichter in der Wechselzone, die beispielsweise die Laufwege oder das Auf- und Abziehen der Helme überwachen, die darauf achten, dass in der Wechselzone nicht abgekürzt, betrogen oder manipuliert wird. Nach drei, vier Jahren habe ich die Fortbildung zum Motorrad-Kampfrichter gemacht und war seitdem viel in diesem Bereich eingesetzt. Weitere zwei, drei Jahre später habe ich die Ausbildung zum Einsatzleiter (Level 2) gemacht. Dieser bildet mit den anderen Kampfrichtern das Wettkampfgericht. Er hat die Aufgabe, sich den Wettkampf im Vorfeld anzuschauen, mit dem Veranstalter die Rahmenbedingungen abzusprechen, vor Ort zu kontrollieren, ob alles richtig geplant und korrekt durchgeführt wird. Der Einsatzleiter setzt die Kampfrichter entsprechend ihren Qualifikationen ein, führt das Briefing durch, kontrolliert während des Wettkampfs, dass korrekt gearbeitet wird, protokolliert die ausgesprochenen Sanktionen und macht am Ende den Wettkampfbericht fertig. Seit zwei Jahren bin ich Technischer Delegierter, das ist das Höchste, was man im Landesverband erreichen kann. In dieser Position überprüfe ich vorab den Streckenverlauf, die Wechselzonen sowie den Start- und Zielbereich der Veranstaltung. Ich kontrolliere, ob der Wettkampf von der Sicherheit her entsprechend den Ordnungen geplant ist. Nun habe ich mich für die nächste Weiterqualifikation, den DTU Bundeskampfrichter, gemeldet. Wenn ich ausgewählt werde, kann ich dann für die Deutsche Triathlon-Union (DTU) bei Bundesligawettkämpfen und Deutschen Meisterschaften eingesetzt werden.

Meistens gibt es keine echten Konsequenzen, aber bei einer doppelten Verwarnung kann das schon eine Zeitstrafe, Zurückstufung oder Disqualifikation nach sich ziehen.

Michael Bender

Viele Vereine beklagen, dass es immer schwieriger sei, Freiwillige für dieses Amt zu finden. Wie ist die Situation im Triathlon?
Michael:
Wir müssen aufgrund der zahlreichen Ligamannschaften 14 Kampfrichter stellen – aktuell haben wir sogar 19. Damit stellen wir ein Fünftel aller hessischen Kampfrichter.

Wie akquiriert bzw. motiviert ihr die Personen zu diesem Job?
Michael:
Wir versuchen, Anreize zu geben, beispielsweise sind Kampfrichter bevorzugt in der Buchung von Sondertrainings. Wir fragen ab, wer grundsätzliches Interesse hat und führen anschließend mit den interessierten Kandidaten Gespräche. In diesen versuchen wir herauszufinden, wer wirklich geeignet für den Job ist. Wir müssen die Kandidaten vom Charakter einschätzen können, ob sie stark genug für die Position sind, da es auf Wettkämpfen teilweise schon hart zugeht, und ob sie länger dabeibleiben werden.

Michael, du hattest zuvor gesagt, dass es auf Wettkämpfen schon teilweise hart zugeht. Welchen Situationen und welcher Art von Beleidigungen ist man im Triathlon ausgesetzt?
Michael:
Manchmal sind die Athleten mit einer Entscheidung, zum Beispiel Verwarnung wegen einer Regelverletzung, nicht einverstanden. Meistens gibt es keine echten Konsequenzen, aber bei einer doppelten Verwarnung kann das schon eine Zeitstrafe, Zurückstufung oder Disqualifikation nach sich ziehen. Die Wettkampfteilnehmer sind ziemlich ambitioniert. Sie sind zwar Freizeitsportler, investieren aber viel Geld und Zeit in ihren Sport und haben unglaublich viel Ehrgeiz. Entsprechend sind sie dann schlecht gelaunt, wenn man ihnen in die Parade fährt, weil sie sich nicht regelkonform verhalten haben. Im Ligabetrieb geht es oftmals noch härter zu. Da kommt es schon mal zu Beschimpfungen und Beleidigungen. Es gab in Hessen auch schon Fälle, in denen Kampfrichter körperlich angegangen worden sind.

Wie oft kommt es vor, dass sich Zuschauer beim Triathlon oder Trampolin einmischen?
Michael:
Beim Triathlon hat man Passanten, Angehörige, Mannschaftskollegen am Streckenrand stehen. Prinzipiell können sie brüllen, anfeuern und machen, was sie möchten, solange es keine Beleidigungen sind oder Aktionen, die zum Nachteil anderer Teilnehmer führen. Was nicht erlaubt ist, ist die Begleitung von Athleten. Eine kurze Strecke ist tolerierbar, aber wenn es über 300, 400 Meter sind, dann geben wir wegen Coaching eine Gelbe Karte für den Athleten. Er selbst ist dafür verantwortlich, das Coaching abzuwehren.

Man ist ganz dicht an den Athleten dran, sieht ihre Fahrräder und ihr Equipment und wie sie ihren Sport umsetzen.

Michael Bender

Wie viele Einsätze hast du etwa in einer Saison beziehungsweise in einem Jahr?
Michael:
Im Normalfall sind das um die zehn Wettkämpfe pro Jahr.

Wie viel Zeit musst du an solch einem Wettkampftag aufwenden?
Michael:
Im Triathlon hängt es sehr von der Rolle ab, in der man eingesetzt wird – ist man als einfacher Kampfrichter eingesetzt, als Motorrad-Kampfrichter oder als Einsatzleiter vor Ort. Der Einsatzleiter hat den längsten Tag, da er vor allen anderen da sein muss und auch erst nach der Nachbesprechung Feierabend hat. Da kann es schon auf zehn bis zwölf Stunden hinauslaufen. Bei einem Ironman ist es noch länger, da die schnellsten Sportler zwar etwa acht Stunden unterwegs sind, aber das Breitensportfeld durchaus auch 15 bis 16 Stunden benötigt. Dann hat man einen wirklich langen Tag. Hinzu kommen am Freitag noch die Vorbesprechung mit dem Veranstalter und dem Wettkampfgericht und am Samstag der stundenlange Rad-Check-in.

Es ist ein enormer Zeitaufwand und du bekommst wenig Aufwandsentschädigung. Warum opferst du so viel Zeit? Was ist deine Motivation?
Michael:
Man ist total nah an der Weltspitze. Wir haben bei den Europameisterschaften in Frankfurt ein hochkarätiges Feld, darunter auch Weltmeister, die an den Start gehen. Man ist ganz dicht an den Athleten dran, sieht ihre Fahrräder und ihr Equipment und wie sie ihren Sport umsetzen. Dabei kann man einige Dinge für sich selbst mitnehmen, das ist spannend. Zum anderen macht es großen Spaß, das Wettkampfgericht aufzustellen, den ganzen Tag zu leiten, zu managen und die Leute zu fördern. Der Job ist einfach unglaublich vielfältig und die Sportart Triathlon mit ihren Einzeldisziplinen sehr komplex.

Gab es besondere Erlebnisse?
Michael:
Ich hatte bei einem Wettkampf in Fritzlar eine Zuschauerin, die mit ihrem Kinderbuggy ein Stromkabel aus dem Verteilerkasten gerissen hat. Daraufhin ist der Zielbogen zusammengefallen, der durch das Luftgebläse aufgeblasen war, und hat einen Teilnehmer unter sich begraben.