22.10.2012

IRONMAN Hawaii 2012

Vor dem Rennen
Die Tage vor dem Rennen gestalteten sich als Mischung aus reinem Urlaub, um die schönen Seiten von Big Island kennenlernen zu können und Eintauchen in den Trubel vor dem Rennen in Kailuha-Kona. Kona bildet in der Rennwoche der Ironman-Weltmeisterschaften ohne Zweifel den Nabel der Triathlon-Welt. Entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten sich verrückt machen zu lassen anstatt einfach die Beine hochzunehmen. Ich war froh, diesem Treiben etwas aus dem Weg gehen zu können, da meine Unterkunft etwas außerhalb von Kona lag. Ab und an die Atmosphäre am Pier zu genießen, mal zum Lava Java zu schlendern oder den großen Stars der Szene über den Weg zu laufen, macht in passender Dosierung aber den Reiz dieses Rennens aus.
Race Day
Dank reibungsloser Organisation und zahlloser Helfer ging es am Samstagmorgen zunächst ohne große Hektik zum Body Marking – dem Auftragen der Startnummer auf die Arme – das in Kona besonders zelebriert wird. Alles Weitere verläuft dann mit geringem Getöse ab. Noch mal das Rad überprüfen, ein wenig aufwärmen und ansonsten viel Atmosphäre aufsaugen. Dabei gehörte die Stunde vor dem Start für mich sicher zu den beeindruckendsten Momenten rund um den Ironman auf Hawaii. Die Bilder, die ich aus TV-/Internetberichten oder Fotoreportagen kannte, konnte ich nun live vom besten Platz des Tages – vom Pier – aus beobachten und sie sind mir am intensivsten haften geblieben: Der Sonnenaufgang über den Bergen von Kona, die Massen von Zuschauern am Ufer, die zahllosen Helfer die auf ihren Surfbrettern von der kleinen Bucht des Kingkamehameha Hotels zum Schwimmstart und zur Schwimmstrecke aufbrechen, der Start der Profis, die teils angespannten Gesichter der Triathleten, die mit großer Ehrfurcht einem langen Tag entgegenblicken und wiederum die vielen freudigen Gesichter derer, die wie ich einfach froh waren dabei zu sein und den Tag als Belohnung für die Mühen der Hawaii-Quali ansahen. 
Swim (Hei Hei ‘Au Kai)
Das Schwimmen bereitet mir typischerweise wenig Kopfzerbrechen und somit musste ich mir keine großen Sorgen um eine drohende Keilerei beim Start machen. Der Wellengang war zwar ordentlich und flößte auch mir einigen Respekt ein. Mir war aber bewusst, dass es den meisten anderen nicht besser geht als mir. Und so ging es dann auch von der Mitte der Startlinie aus problemlos in Richtung Wendeboot. Nach der Wende hat sich das Wasser weiterhin gut angefühlt, das Schwimmen hat Spaß gemacht und ich konnte mich noch um einige Plätze nach vorne arbeiten. Als es nur noch wenige hundert Meter bis zum Ausstieg am Pier waren, konnte ich das Rennen dann auch so, wie ich es mir vorgenommen hatte, absolut genießen. Meine persönliche Vorgabe von 59 Min. habe ich überraschend leicht und deutlich mit 55:34 Min. unterboten und so ging es gut gelaunt aufs Rad.
Bike (Pakilala)
Das Radfahren war für mich die große Unbekannte. Einerseits fällt es im September gar nicht mehr so leicht, regelmäßig aufs Rad zu steigen, andererseits war zu erwarten, dass die gefürchteten Winde auf der Radstrecke nach Hawi und zurück keine Verschnaufpause erlauben würden. Auf den Queen K Highway bildeten sich bereits in den ersten Renn-Kilometern kleine Pulks, die sich angesichts der Leistungsdichte bei so einem Rennen nicht vermeiden lassen. Zwangsläufig werden viele Zeitstrafen ausgesprochen und so hat es auch mich erwischt. Nach ca. 30km gab es die Verwarnung und ich wusste, dass nach ca. 60km die Penalty-Box kommen würde. Ich bin die Strecke dorthin recht zügig gefahren, da ich wusste, dass ich mich normalerweise in den 4 Minuten Strafzeit gut erholen würde.
Natürlich hätte ich es gerne vermieden, aber ich konnte bei der ersten Zeitstrafe die ich je in einem Triathlon-Rennen erhalten habe, die Ruhe bewahren, auch wenn man Zweifel an der eigenen Zwangspause bekommt wenn man währenddessen endlose Pulks von Radfahrern mit geringen Abständen vorbeifahren sieht. Aber letztlich ging es hier um mein eigenes Rennen.
Auf dem Abschnitt nach Hawi und auf dem Großteil des Rückweges nach Kona gab es dann die befürchtet böigen Seiten- und Gegenwinde, die mir das Radfahren zur Hölle gemacht haben. Ich habe mich darauf besonnen, Meile für Meile hinter mich zu bringen und dabei möglichst viele Körner für den abschließenden Marathon aufzusparen. Nach 5:18 bin ich vom Rad gestiegen. Für die Umstände besser als erwartet. Mental war ich zu dem Zeitpunkt aber bereits ziemlich ausgebrannt und die Aussicht auf die sengende Sonne und Ödnis auf dem Großteil der Laufstrecke sorgten dafür, dass sich der Genuss sehr in Grenzen hielt.
Run (Holo Hei Hei)
Die ersten km bis zum Wendepunkt auf dem Ali’i Drive waren dann nicht nur im Streckenprofil ein ständiges Auf und Ab. Mal ging es für ein paar Meter besser, dann wieder für einen km schlechter. Einen richtigen Rhythmus konnte ich nie finden. Ich versuchte mir die Strecke in kleine Abschnitte zu unterteilen und mich daran zu erinnern, dass ich hier sei, um es zu genießen. Zudem habe ich auf den ersten Lauf-Kilometern endlich meine Zielzeit definiert: Sub10. Das ist für mich ungemein wichtig, fiel mir aber schwer, da man im Vorfeld nur schwer einschätzen kann, wie die Windbedingungen auf dem Rad werden würden.
Die sub10 sollte machbar sein, wenn mich kein totaler Einbruch treffen sollte. Die Aussicht darauf half für den Rückweg auf dem Ali’i Drive und es wurde tatsächlich besser. Vereinzelte “Eintracht“-Anfeuerungsrufe waren dabei eine weitere Hilfe. Der Anstieg an der Palani Road ist dann allerdings sehr giftig und man bekommt einen ersten Eindruck davon, wie heiß es auf dem Queen K Highway werden sollte - oberste Priorität lag also darauf, mich zu kühlen und viel zu trinken. Das gelang gut und so ging es recht zügig zum und durch das gefürchtete Energy Lab. Am Abzweig vom Energy Lab zum Queen K Highway war es dann aber vorbei mit dem Spaß. Hitze, noch mehr als  10 km und die Einsamkeit der Strecke führten dazu, dass ich mich von Verpflegung zu Verpflegung hangelte und dabei immer wieder Gehpausen einlegte. Irgendwie und irgendwann geht es dann aber doch wieder auf die Palani Road und bald schon auf den Ali’i Drive, um die letzten Meter zu absolvieren. Hier dann wieder in Erinnerung rufen: Genieße es! Die Erleichterung über das heiß ersehnte und nach 3:22 Stunden auf der Laufstrecke und 9:43:56 Stunden Gesamtzeit zugerufene “You are an Ironman!“ ist groß und als 49. meiner AK und 207. in der Gesamtwertung bin ich absolut zufrieden. 
Nach dem Rennen
Meine erste Reaktion nach dem Rennen war: “Das hätte es nicht gebraucht“. Aber das ist wohl normal in den ersten Minuten und Stunden nach so einem harten Rennen, das laut Faris Al-Sultan die härtesten Bedingungen seit 2004 bot. Das Rennen ist aber ohne Zweifel etwas Besonderes und die Teilnahme daran ist ein einmaliges Erlebnis. Man bewegt sich in einem Umfeld, das in der Triathlon-Welt nahezu mythisch besetzt ist und das spürt man in vielen Momenten. Vor allem die Phase vor dem Start und die letzte Rennstunde vor Mitternacht am Ali’i Drive sind ganz außergewöhnlich. Ich bin froh, dass ich die Chance hatte es selbst zu erleben. Nächstes Jahr dann mal Roth. Und vielleicht werde in ein paar Jahren nach Hawaii zurückkehren. Mit oder ohne Ironman sind die Inseln eine Reise wert…
 (Fotos: Esther Heinz/Finisherpix)