16.11.2011

Ein Husarenritt über Stock, Stein und die eigenen Unzulänglichkeiten

So ein recht frisch anmutender, mit blauem Himmel und ionisierter Luft versehener Morgen ist eine regelrechte Einladung zum Austoben, jedenfalls für die älteren Semester unter uns. Und was für eine bessere Gelegenheit kann es dazu geben, als an einen Crossduathlon teilzunehmen. Hätte es die Bartholomäus-Nacht nicht gegeben, könnten wir uns ohne einen Stachel darüber freuen, dass die Hugenotten sich in der Nähe von Frankfurt niedergelassen hatten, denn was täten wir ohne ihren Lauf im September und ihren Duathlon nun im November, um von ihrer Kultur und Stadtplanung gar nicht zu reden.
Ziemlich vertraut ist diesem Duathlon-Rookie das hübsche Neu-Isenburger Sportstadion, dessen Laufbahn bei diesem Anlass etwas zweckentfremdet auch als Wechselzone fungieren muss. Jetzt schon im 5. Jahr sind die Duathlon-Organisatoren offenkundig sehr erfahren in der Gestaltung der Infrastruktur für so einen Wettkampf. Mit nur einer Zeitnahmestelle schaffen sie es nämlich, zweimal Laufen und einmal Radeln zu erfassen—allerdings ohne die Wechselzeiten stoppen zu können. Nicht tragisch, denn viele von uns tun es ohnehin selbst.
Die Duathlon-Laufstrecke ist flach, und ca. 500m davon sind identisch mit der Laufstrecke vom Hugenottenlauf. Ein paar lange Geraden verlangen allerdings von den Duathleten, dass sie sich auf den Punkt 2m vor ihnen konzentrieren und nicht auf den Fluchtpunkt, der in der Unendlichkeit des Stadtwaldes verschwindet. Bei nur 4,5 km ist es immer ratsam am Anschlag zu laufen—denkt sich der Triathlet, der ja zu diesem Zeitpunkt seines Wettkampfs das Schwimmen und Radeln schon hinter sich hat. Beim ersten Laufstück eines Duathlons aber kann diese Herangehensweise ungewollte Folgen haben.
Mit einem fabelhaft aufgeräumten Wechselplatz (Obacht Triathleten: nur Radschuhe und sonst gar nix) vollzieht sich der Wechsel zum Rad rasant schnell. Nachdem man das Stadion verlassen hat, kommt man auch zügig in die Pedale, da das erste Teilstück der Radstrecke auf Asphalt verläuft. Und dann fängt der Spaß richtig an.
Da wo wir gefahren sind (grobgeschätzt zwischen den S-Bahn-Gleisen und der A3), stellt der Stadtwald fast die ganze Bandbreite an optimalen Bedingungen für einen Crossduathlon bereit: rauen Boden, enge Kurven, schmale Trails, schnurgerade Passagen, kurze giftige Anstiege—und all das in einem herbstlich verfärbten Laubwald, der mal eine Lichtung, mal einen Baldachin aus Zweigen und Blättern anzubieten hat.
Dieser unerfahrene Teilnehmer war heil froh, ein MTB unter sich zu haben, denn bei 30+km/h über so eine Buckelpiste im Wettkampf zu fahren, war für ihn eine neue, wachrüttelnde, d.h. knochenrasselnde Erfahrung. Wie ein kaum zu bändigender, erst kürzlich eingerittener Mustang wippt und bockt das Rad unaufhörlich. Easy boy, easy. Dennoch: Dank der Federung, Bereifung und Sitzposition erleichtert es einem ein MTB, die Spur zu halten, Kurven etwas gewagter zu nehmen und die Rückstöße einigermaßen abzudämpfen. Mit einem Crossrad ist es aber ein völlig anderes Spiel. Traktionskontrolle? Ach was! Ich will mich doch nicht vervetteln, sagen sich die jungen Burschen, die mit ihren Crossern eine Staubwolke und uns weit hinter sich lassen. Federweg, Knautsch- und Auslaufzonen sind doch wesensfremde Begriffe unter diesen beschlagenen Crossradfahrern.
Nach zwei Dritteln der 20 km langen Radstrecke merkte dieser Duathlon-Azubi, dass die Kraft langsam schwindet. Wo war sie bloß geblieben, fragt sich der Scheinunschuldige. Und beim zweiten Wechsel wurde er sträflich daran erinnert, dass seine letzte Koppeleinheit beim Triathlon in Alzenau im September war. Der Felix aber, der vor ca. 4 Wochen in Kailua-Kona gekoppelt hat, ist wie ein Jungspund durch den Wald geflitzt. Tja, lieber den Wechsel vom Rad zum Laufen nochmals kurz auf Hawaii üben, bevor man sich an den Hugenotten-Crossduathlon ranmacht—mal sehen, ob sich das 2012 organisieren lässt.
Wie gewohnt in der gastfreundlichen Exulantenstadt gab es nach dem Zieleinlauf eine reichhaltige Verpflegung bestehend aus Warm- und Kaltgetränken sowie Obsthäppchen. Zudem bekamen alle Finisher ein hervorragendes Funktionshemd, das nicht gleich in der Altkleidersammlung landet, sondern oft und gerne getragen wird. Chapeau bzw. maillot! Mit ähnlicher Sorgfalt und Konsequenz könnte man auch das Umweltproblem lösen, das die leidigen Goodie-Bags verursachen.
In die Erlebniswelt eines Zwölfjährigen zurückversetzt zu sein, ist diesem Berichterstatter bis zum Duathlon-Sonntag nur ein einziges Mal im erwachsenen Alter gegönnt gewesen, und zwar beim ersten Triathlon. Kurz von dem grenzenlosen Sonnenschein zu der Überlegung verleitet, zum perfekten Sporttag fehle nur noch das Schwimmen, hatte der Duathlonneuling sich schnell gefangen und begriffen, dass dieser Gedanke dem unnachahmlichen Charakter eines Crossduathlons nicht gerecht würde.