Ein paar Wochen sind´ s zwar her, aber im Urlaub lässt sich ein Bericht einfach leichter schreiben.Nach einem nicht ganz zufriedenstellenden 10te-Langdistanz-Jubiläum im letzten Jahr, welcher der Freundschaftsbande wegen in Frankfurt stattfand, hatte ich meinen geplanten Start in Roth auf dieses Jahr verschoben und dachte mir, dass die ehrenvolle kölsche Zahl 11 vielleicht genau die richtige für das größte Langdistanzrennen der Welt ist. Leicht verspätet bei der Buchung hatten wir noch das Glück, einen HomeStay 15km von Roth entfernt zu erwischen. Das klingt erst einmal negativ, jedoch waren wir bei aber zwei so dermaßen sport- und Triathlon begeisterten Rentnern zu Gast, die nicht nur den allerersten Renndirektor Walchshöfer Senior persönlich gut kannten, sondern auch seit 1989 bei jedem Wettkampf dabei waren - aber lustiger weise 2015 das allererste Mal einen Triathleten selbst beherbergen konnten. Ein wunderbarer Garten für meine Kinder, eine fantastisch ausgestattete Werkstatt der Radbegeisterten, gemeinsames Schauen der Fernsehdoku über den Rother Triathlon und ein frühmorgendlicher Bring-Service zum Schwimmstart waren nicht nur angeboten, sondern fast schon aufgedrängt - da musste das Rennen ja gut werden!Erschreckenderweise hatte ich es geschafft, dieses Jahr noch weniger als in den Jahren davor zu trainieren. 11 (Elf! Da ist nix falsch getippt) Schwimm-, 1.600 Rad- und 540 Laufkilometer klingen zwar erstmal sehr wenig, aber mit 2½ Kindern im Haus und einem auslastenenden Job 150km entfernt, ist eben nicht unbedingt mehr drin, jedenfalls nicht, wenn man Job und Familie noch behalten möchte. Trotzdem war ich mir optimistisch, die Trainingskilometer sinnvoll verteilt zu haben und in sehr guter Kombination mit vielen Stabi-Einheiten war es mir im Frühjahr zudem gelungen, endlich mal die 3-Stunden-Marke beim Bonn-Marathon zu knacken, und auch beim Moret-Triathlon hatte ich meine erste Altersklassen-Podest-Platzierung beim Triathlon erreicht. So hatte ich die 10:30-Stunden-Marke angepeilt, lieber wollte ich noch die Bestzeit von 10:17 zu knacken und vielleicht sogar die 10:0X zu sehen. Die Taktik war ähnlich wie bei jener Bestzeit in Klagenfurt, bei der ich aufgrund von Fieber 3 Tage zuvor sehr zurückhaltend war: Schwimmen überleben, anschließend auf dem Rad nicht übertreiben und nicht nach Zeit, sondern ausschließlich nach Puls fahren, um dann noch genügend Körner für den Marathon zu haben - so einen sub3:30-Marathon fand ich ja schon seeeeeeeeehr attraktiv!Gesagt, getan! Schwimmen war natürlich trotz Neo grausam und ich war wieder mal froh, als ich nach knapp 1:13 Stunden an Land taumeln konnte. Dabei kam es mir dann sehr entgegen, dass es auch beim Wechseln eine Vollversorgung gibt und eine junge Dame mir alles zurechtpackte, was ich brauchte, was alleine vermutlich drei Mal so lange gedauert hätte. So saß ich trotz absoluter Verwirrtheit nach weniger als 5 Minuten auf dem Rad, was mir bei in einer Langdistanz noch nie gelungen war. :-)Auf dem Rad hatte ich mir vorgenommen, außer bei Anstiegen immer im (oberen) GA1-Bereich zu fahren. Zudem wollte ich einen großen Teil der vielen Gels, die man sonst im Verlauf eines solchen Rennens zu sich nimmt, durch eigene Gummibärchen und mein liebgewonnenes Laugengebäck ersetzen. Beides habe ich sogar konsequent durchgezogen, wobei ich nicht das Gefühl hatte, weniger Magenprobleme dadurch zu bekommen. Ich konnte, wollte und musste allerdings weniger zu mir nehmen, was natürlich durch eine erhöhte Fettverbrennung erklärt werden kann (Einfachstes Physiologie-Wissen beim Wettkampf anwenden macht Spaß). Als dann auf der zweiten Runde ein wenig Wind aufkam, war wie immer der Gedanke da „Wann ist das Radfahren endlich zu Ende?“ Aber nach 150km geht´s ja nochmal auf den Solarer Berg - und was soll man da sagen? Die 40.000 Leute an diesem nicht besonders langen oder steilen Berg sind einfach nur der Wahnsinn und lassen die Hotspots sämtlicher Rennen, bei denen ich bisher war, plötzlich sehr klein erscheinen. Man hat das Gefühl, die Leute sind auf Drogen, und man selbst gerät auch in einen Rausch… Überholen kann man wegen der extremen Enge dort zwar nicht, aber das ist vielleicht auch gut so, weil man die Stimmung noch mehr und länger genießen kann - dieses Gefühlshoch trägt einen dann noch ein paar Kilometer weiter, die Aussicht auf die Wechselzone 2 übernimmt dann den Rest, so dass ich nach 5:17 Stunden mit munteren Beinen, aber leider immer noch grummelndem Magen vom Rad steige.Auch im Wechselzelt 2 genieße ich den vollen Service einer jungen Dame, die sich wundert, dass 2 Paar Schuhe im Beutel habe - wofür?? Unvorbereitet wie immer wusste ich nicht, wie steinig der Boden auf der Laufstrecke ist und ob ich die dünne Sohle meiner neuen Wettkampfschuhe (Yeah, jetzt hab´ ich auch solche Schuhe! :-) ) ausreicht. Ich höre ein „nur kleine Steinchen“ und entscheide mich für diese Schuhe, auch aufgrund des guten Omens vom Frühjahrsmarathon. Die Dame lacht dann noch, als ich vor ihr herzhaft in die Käselaugenstange beiße - das hat dem Magen gefallen, aber gut ging´s ihm leider immer noch nicht…Letztlich bin ich nach 6:36 Stunden auf der Laufstrecke und musste nicht lange rechnen, dass ich nicht viel unter 4 Stunden den Marathon laufen muss, um die 10:30er-Marke zu knacken. Ein bisschen schwieriger war´s schon bei der 10:15er-Marke, für die ich unter 3:40 laufen musste - aber das konnte mir ja immer noch gelingen, vor allem, weil ich mich bis dato eigentlich sehr zurückgehalten hatte. Als ich nach Puls loslaufe, bin ich überrascht, dass ich die ersten Kilometer alle sehr deutlich unter 5 Minuten laufe. Aber ich fühle mich gut, weiß ja, was auf mich zukommt und sehe eigentlich keinen Grund, absichtlich mein Tempo zu drosseln, obwohl ich alles andere als am Anschlag laufe. Ob die Kilometer stimmen? Praktischerweise war mein GPS genau auf der Radstrecke voll und hat sich geweigert, auch noch irgendeinen weiteren Kilometer aufzuzeichnen, so dass ich jedes Mal die Kilometerschilder an der Strecke finden musste, was mir aber glücklicherweise meist gelang. Die ersten 10km in 48:irgendwas - wow, läuft gut! Und die Stimmung ist auf der Strecke wesentlich besser, als ich es gedacht hatte - immer wieder gibt es Hotspots, an denen die Leute es sich bei oder durch die Aufnahme von alkoholischen Getränken gut gehen lassen und bei lauter Musik die Athleten feiernd nach vorne treiben. An diesen Hotspots sind wirklich überall Leute auf Bierbänken bei Volksfeststimmung und voller Enthusiasmus für die Athleten - einfach wunderbar! Mir gefällt der Wechsel zwischen „wenig los“ und „Stimmung total“. Der Halbmarathon in 1:43, cool!Aber halte ich das durch, nachdem ich die ersten 15km fast keine Nahrung zu mir nehmen konnte? Irgendwann merke ich auch, dass es etwas schwieriger wird, weil irgendwie der Saft fehlt, obwohl die Beine sich eigentlich gut anfühlen. Da heißt es dann, Gels reinwürgen, wenn möglich. Das klappt natürlich nicht immer, weil man dazu auch etwas trinken muss, aber nach km30 mache ich es wieder durchgängig, weil ich merke, dass ich wieder schneller laufen kann. Also jedes Mal ein Gel reingewürgt, und auf einmal geht´s wieder besser. Dann geht´s nach Roth rein, in der Stadt dreht man noch eine Extrarunde, wieder viel Stimmungen an den Biermeilen, und ich grinse mir gefühlt seit km38 nur einen ab. Dann kommt km40 und ich bin sogar noch unter 10 Stunden – sehr geil, das müsste doch was mit der 10:0X werden! Irgendwie fühle ich mich von nun an wie auf Drogen und laufe immer schneller, mir tut nix weh, und selbst der Magen ist wieder in Ordnung - EIN GEILES GEFÜHL! Dann geht´s in den Zielkanal, laute Musik, noch lautere Zuschauer, ich klatsche jede einzelne Hand ab, die mir in den Weg kommt, bis ich recht kurz vor dem Ziel verwundert sehe, dass meine Frau es mit den Kindern in die erste Reihe geschafft hat und ich zum ersten Mal mit beiden Söhnen gemütlich über die Ziellinie marschieren kann. In diesem Moment waren mir die Zeiten egal, aber die nächste positive Überraschung kam direkt auch noch: Endzeit 10:06:59 Stunden, Marathonzeit 3:29:29 Stunden – YEAH, die beiden Wunschziele erreicht! Dann noch mit Gesamtplatz 235 und AK-Platz 55 unter den besten 10% aller männlichen Starter und den besten 15% meiner Altersklasse, auch mit diesen Statistiken war ich zufrieden.Im Zielbereich schien es den Helfern eher verwunderlich, dass ich meine Jungs wieder zurückbringen wollte und nicht mit der Familie dort herumhing, das war jedenfalls mein Eindruck - eben anders als in Frankfurt, wo der Einlauf mit Kindern ja verboten ist. Merkwürdigerweise hatte ich nicht den typischen Heißhunger nach dem Wettkampf, sondern wollte nur mit Bier unter die Dusche, hab´s mir mit den Nachfolgebieren auf der Massagebank gemütlich gemacht und war danach mit 2 Brötchen so gut bedient, dass ich mich gar nicht nach mehr am Buffet umgeschaut habe, aber es schien mir sehr gut organisiert zu sein!Roth gilt ja als schnelle Strecke, was ich früher an der scheinbar etwas kürzeren Laufstrecke festgemacht hatte, aber in diesem Jahr wurde eben selbe geändert und die Laufzeiten scheinen wieder etwas "langsamer & normaler" zu sein. Ich denke, dass die relativ kurvenarme Strecke, die keine oder wenig nennenswerten Kehren beinhaltet, dafür sorgt, dass man beim Radeln gut im Tritt bleibt. Zudem kommt einem die Hilfe beim Wechseln sehr zugute. Aber in Erinnerung bleibt mir dieser Wettkampf nicht wegen der Bestzeit, sondern vor allem durch die unglaubliche Begeisterung, die man wirklich überall spürt - absolut jeder in der Umgebung weiß, dass dieses Event stattfindet und nimmt die Freaks mit größter Gastfreundschaft und Herzlichkeit auf. Alle Helfer, die ich gefragt habe, hatten keinen festen Dienstpläne, sondern sind einfach so lange geblieben, wie sie wollten. Wenn man aus dem Landkreis kommt, macht man einfach irgendetwas um den Triathlon herum - und deswegen will ich nächstes Jahr wiederkommen! :-)
22.08.2015