21.10.2008

Anfängerfehler beim IRONMAN Hawaii

So, da waren wir nun endlich auf Hawaii angekommen um an dem legendären Wettkampf teilzunehmen.Vor dem Wettkampf haderten viele mit den Bedingungen: zu warm, zu windig, zu wellig, zu viele Berge auf der Laufstrecke – jammer, jammer überall – Leute, dann bleibt doch zu Hause…. Ich musste dabei immer an eine Aussage Peter Reids denken, der mal sagte, es macht keinen Sinn, sich gegen die Bedingungen zu wehren, man muss die Insel und den Wettkampf annehmen und die speziellen Bedingungen akzeptieren. Also: bei Wind: kleinmachen auf dem Rad, bei Hitze: vernünftig kühlen, die Hügel vernünftig angehen, aber dennoch Respekt vor der Strecke haben.Die Woche vor dem Wettkampf ist schon etwas Besonderes. Posing soweit das Auge reicht. Überall voll austrainierte Triathleten, die in einem Affenspeed trainierten – Tapering scheint noch nicht überall verstanden worden zu sein. Die Spannung stieg von Tag zu Tag: zuerst die Startunterlagen, dann der Underpants-Run, das Schwimmen am Morgen am Pier, Donnerstag die Wettkampfbesprechung, am Freitag das Einchecken und dann Samstag: RACEDAY!Der Morgen begann um 3:30 Uhr. Aufstehen, frühstücken und dann den Shuttle zum Start nehmen. Dort stand erst mal das Body Marking an. Die Nummern werden hier aufgestempelt, nicht nur mit einem Edding aufgemalt, der nach 2 Minuten eh wieder ab ist. Hier ist halt alles etwas cooler. Mich plagte seit Wochen eine ISG-Blockade, nur hatte ich es nie geschafft zum Doc zu gehen. Also sprach ich in der Wechselzone einen der Medics an und der richtete mich in 2 Minuten wieder her: einmal schön den Rücken durchgeknackt, danach war alles wieder in Ordnung – Wunder der modernen Medizin. Danach die übliche Vorwettkampfroutine: Flaschen und Riegel ans Rad, Wattmesser kalibieren, noch mal Sunblocker, Vaseline auf Nacken, dann noch dreimal auf Klo, Schwimmanzug an, Schwimmanzug wieder aus, noch mal aufs Klo, Schwimmanzug wieder an und rein ins Wasser. Hier war ich ca. 10 Minuten vor dem Start an der Startlinie, so dass ich dann noch mal auf der Stelle Schwimmen lernen durfte (Anfängerfehler Nummer 1).Dann war es endlich so weit, der Wettkampf auf den ich so lange gewartet hatte ging los. Das Schwimmen lief sehr gut. Vorgenommen hatte ich mir eine Zeit von ca. 1:10, heraus kam eine 1:06. Weder kam ich in großartige Schlägereien, noch musste ich besonders viel Salzwasser schlucken. Auch mit der Strömung und den Wellen hatte ich keine Probleme. Ok, einmal meinte ein Depp, mir ins Gesicht schlagen zu müssen, das war aber eher unabsichtlich. Dazu die üblichen Fußfetischisten, die mich ständig begrabbelten und einige Versuche mich zu überschwimmen, der übliche Wahnsinn halt. Das Dumme ist nur: hier konnten die Jungs alle recht gut schwimmen. Der Wechsel klappte trotz Hektik und Überflutung im Wechselzelt gut und schwupps saß ich auf meinem Rad – Aufsteigen aufs Rad können die Triathleten einfach nicht…Zunächst ging es auf eine kurze Wendepunktstrecke auf den Kuakini-Highway, danach die Palai-Road rauf und auf dem Queen K Highway Richtung Hawi. Die Strecke ist an Anspruchslosigkeit kaum zu überbieten: immer auf dem Highway, keine Kurven, keine echten Berge – nur einige Hügel und … so ein kleines Lüftchen, das viele als Wind bezeichnen. Ok, es hat ziemlich gewindet, vor allem die böigen Seitenwinde waren teilweise gefährlich. Hin nach Hawi lief alles super – mit einer Ausnahme: Ich wurde überholt!!! Eigentlich geht das ja mal gar nicht, aber ich dachte mir: Ok, das ist hier die WM, hier dürfen auch einige Jungs schneller sein. Einen Großteil der guten Schwimmer konnte ich überholen, ohne dass es zu Problemen mit den Kampfrichtern kam. Die waren hart aber gerecht. Alleine ich sah zwei Jungs, die das Rechtsfahrgebot anscheinend nicht geblickt hatten und dafür prompt die Quittung bekamen – Rote Karte. So muss es sein, könnten sich die Jungs in Frankfurt mal ein Beispiel dran nehmen. Die Versorgung auf der Strecke war perfekt: alle 8 Meilen gab es eine Verpflegungsstelle, wo ich mir jeweils zwei Flaschen Wasser schnappte: eine zum kühlen und eine zum Trinken. So wurde es weder zu warm, noch bekam ich Durst. Dazu alle 20 Minuten ein Gel und alle 60 Minuten einen halben Riegel – alles wie gehabt. In Hawi lag ich voll im Plan, eine Zeit von 4:40 bis 4:50 war durchaus machbar. Bis hierher war ich brav nach Watt gefahren, übertrieben hatte ich es also bisher eher nicht. Am Wendepunkt gab es die Beutel mit der Eigenverflegung, mir kam das Extran darin gerade recht, denn mein Powerbar Endurance konnte ich schon nicht mehr sehen. Das war genau mein Problem: das Zeug hatte ich vorher noch nie probiert – ich hatte damit gerechnet, dass ich mein bekanntes Powerbar Hydro auf der Insel bekommen würde, hatte es daher nicht aus Deutschland mitgebracht. Leider gab es das auf der ganzen Insel nicht, so dass ich gezwungen war, das neue Endurance Pulver zu testen. (Absoluter Anfängerfehler Nummer 2) Ok, man soll keine neuen Getränke im Wettkampf testen, aber mir blieb nichts anderes übrig. Dummerweise schmeckte das Endurance wie [das Wort schreib ich mal besser nicht hierher] und schon nach der halben Strecke bekam ich es nicht mehr runter, so dass ich es immer mehr verdünnte bis ich fast nur noch Wasser trinken konnte. Dadurch bekam ich natürlich zu wenige Mineralien und zack, nach 100km bekam ich einen richtig fiesen Krampf im Oberschenkel wie noch nie. Hurra, es galt ja nur noch 80km gegen den Wind zu fahren. Um den Krampf wegzudehnen, musste ich kurz stehen bleiben, denn bei den Seitenwinden wäre eine Dehn-Hampellei auf dem Rad relativ unvorteilhaft gewesen. Ärgerlich war nur, dass ich eine Minute vorher Bella Comerford überholt hatte. Die wird sich auch gedacht haben: "Was ein Depp". Nach ca. 2-3 Minuten am Straßenrand ging es weiter und direkt an der nächsten Verpflegung schnappte ich mir eine Gatorade Flasche – irgendwas musste ich ja trinken und nur Wasser geht halt net. Das Zeug schmeckte zwar auch grauselig, aber immerhin besser als das Powerbar-Gesöff, dummerweise war es eiskalt. Die Quittung bekam ich ca. 20km später: Magenkrämpfe ohne Ende. (Anfängerfehler Nummer 3) Ob es nun die Temperatur war, oder das unbekannte Zeug – keine Ahnung. Die Krämpfe kamen in Schüben, so dass ich immer wieder locker und aufrecht fahren musste – halt die ideale Position bei Gegenwind. Das lief ja prima hier. Von meiner Zielzeit hatte ich mich längst verabschiedet, nach und nach korrigierte ich die auf 5 Stunden. Nach 4:58 war es dann soweit – zum ersten Mal in meiner Triathlon-Karriere war ich froh, vom Rad steigen zu können. In der Wechselzone steuerte ich auch direkt eines der Dixie-Klos an – Moment – zuerst wurde man einmal von so Jungs mit großen Pfeilen um die gesamte Wechselzone geleitet, bevor ich erlöst wurde – viel länger wäre das nicht mehr gut gegangen. Danach ging es mir wieder besser und ich konnte erleichtert auf die Laufstrecke gehen. Die hatte es natürlich auch in sich: von wegen das Stück auf dem Alii Drive ist flach. Pustekuchen, auch hier ging es immer rauf oder runter. Die Strecke besteht aus zwei Wendepunktabschnitten: einmal 10 Meilen auf dem Alii Drive, dann noch mal 16 Meilen über den Highway ins Energy Lab. Jede Meile gab es eine Versorgungsstation, an der ich mir alles schnappte was es gab: Wasser und Iso zum trinken, Schwämme und Eis zum kühlen und noch mal einen Becher Wasser über den Kopf – gar nicht so einfach, das alles zu erwischen. Ok, zweimal landete das Iso in meinem Gesicht und das Wasser im Bauch, aber ab Meile 20 ist einem das dann auch egal. Auch hier stellte ich mich wieder sehr geschickt an, und schon nach ca. 4 Meilen waren meine Schuhe durch das viele Wasser und das Eis patschnass (Anfängerfehler Nummer 4). Natürlich lief ich auch viel zu schnell los, die erste Meile in 7:10, aber das normalisierte sich recht bald. Angepeilt hatte ich einen 3:30 Marathon, also 8 Minuten pro Meile. Anfangs konnte ich das noch kontrollieren, nach einigen Meilen gab ich das aber auf und lief nach Gefühl. Auf dem Alii Drive war die Hölle los: überall Zuschauer, die einen anfeuerten – von wegen auf Hawaii hat es keine Zuschauer. Die ersten zehn Meilen vergingen recht schnell und schon war ich wieder im Ort und es ging die Palani Road rauf. Die war irgendwie steiler geworden seitdem ich sie mir im Training angesehen hatte. Aber: bloß nicht gehen – kleine Schritte und rauf. Oben auf dem Highway: Wind!!! Herrlich! Der kühlte recht gut, war aber nicht so stark, dass er einen beim Laufen behinderte. Die Laufstrecke zog sich, aber durch die vielen Verpflegungspunkte war es nie wirklich langweilig. Im Energy Lab hatten sich die Veranstalter einen dollen Spaß erlaubt: hier standen zwei Thermometer, die die Temperatur anzeigten: 42°C – Jawoll – willkommen im Glutofen! Bis zum Wendepunkt kühlte der Wind wenigstens noch etwas, auf dem Rückweg stand die Luft und es wurde dann doch gemütlich warm. Mittlerweile hatte ich überall Eiswürfel: in der Rückentasche, in den Beinen des Anzugs, auf der Brust, am Rücken – so konnte man es aushalten. Irgendwann war es dann endlich soweit, es ging die Palani Road noch einmal runter, dann noch eine kleine Runde durch den Ort und dann das Ziel: sicherlich waren hier nicht so viele Zuschauer wie in Frankfurt, aber die Kulisse ist mindestens so beeindruckend wie dort. Nach 9:46:23 war es dann so weit, ich war im Ziel und aus den Boxen kamen die magischen Worte des Sprechers: "Alexander Nikolopoulos, YOU ARE AN IRONMAN". Schwer zu beschreiben, wie ich mich da fühlte. Erleichtert, froh, ziemlich fertig, aber ehrlich gesagt auch ein wenig stolz. Vor allem dachte ich an die Menschen, die mir vor nicht einmal einem Jahr mehr oder weniger deutlich gesagt hatten, dass ich wohl nicht so bald wieder einen IRONMAN bestreiten könnte. So, das war für alle Zweifler!Im Ziel war ich dann doch etwas geschafft, dank der nassen Schuhe hatte ich insgesamt 6 Blasen bekommen, konnte daher kaum noch gehen und mich nur noch hinlegen. Außerdem scheine ich etwas zu wenig Salz eingenommen zu haben (Anfängerfehler Nummer 5), denn ich bekam überall Krämpfe: in den Beinen, in den Armen und sogar im Nacken. Nach etwas Pizza (die schmeckt so geil im Ziel), einigen Salzcrackern und einer Suppe ging es aber wieder einigermaßen.Direkt im Ziel konnte ich noch so gar nicht richtig realisieren, dass ich es geschafft hatte, das kommt wohl erst allmählich und wird wohl noch einige Zeit dauern. Trotz der zahlreichen Anfängerfehler war es ein einmaliges Rennen, das eigentlich alle Vorurteile widerlegte, die man so von Hawaii hat: die gesamte Organisation war schlicht und ergreifend perfekt, die Strecke ist klasse, Zuschauer hat es auch (Einsamkeit auf dem Highway: Pustekuchen. Da ist es so voll, dass man die ganze Zeit Stress hat), Hitze: jo, ist halt warm, Wind: naja, Ostseeman war mehr Wind, Strömung und Wellen: Pille Palle, und die Zielverpflegung: Pizza und Cola ist so geil !!!Vor dem Rennen hatte ich mir gesagt, dass man nur einmal nach Hawaii muss. Dummerweise habe ich der Veranstalterin mehr oder weniger versprochen, dass ich wieder komme – so ein Ärger aber auch…